Kleinsiedlungen im Kanton Zürich – Eine Revision mit weitreichenden Konsequenzen

Veröffentlicht am: 1. März 2024Kategorie(n): Bau- und Planungsrecht, RAUMPLANUNG

Die «Weiler-Thematik» ist gegenwärtig sehr aktuell. Grund dafür sind die im Kanton Zürich laufenden Revisionen des kantonalen Richtplans und der Planungs- und Baugesetzgebung.1 Die sich daraus ergebenden Folgen für die Zuordnung von Kleinsiedlungen birgt viel Potential für weitreichende, häufig enteignungsrechtliche Folgen für die betroffenen Grundeigentümer:innen. Der Regierungsrat sieht zurzeit nicht vor, die Betroffenen zu entschädigen, was wohl zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen wird.

Was ist eigentlich ein Weiler?

Ein Weiler ist «eine als geschlossene Einheit in Erscheinung tretende Gruppe von mindestens fünf bis zehn ursprünglich bewohnten Gebäuden, die eine gewisse Stützpunktfunktion für das Umland erfüllen und von der Hauptsiedlung räumlich klar getrennt sind». Das Bundesgericht hat dies bereits im Jahr 1993 so festgehalten.2

Der Bundesrat hatte anlässlich der Genehmigung der kantonalen Richtplanrevision 2015 im Richtplantext festgehalten, dass Weiler nicht der Bauzone zugewiesen werden dürfen. Im Kanton Zürich wurden Kleinsiedlungen bislang aber oftmals einer Bauzone (meist in Form einer Kernzone) zugewiesen. Diese bisherige Praxis ist bundesrechtswidrig und soll mithilfe der laufenden Revision des Richtplans und des PBG korrigiert werden.

Was genau ist ein Richtplan?

Ein Richtplan ist ein Instrument zur behördenverbindlichen Abstimmung und Koordination der raumwirksamen Tätigkeit aller mit Planungsaufgaben beauftragten Hoheitsträger, insbesondere Bund, Kantone und Gemeinden (vgl. Bundesgesetz über die Raumplanung, RPG). Es handelt sich dabei also um ein (politisches) Planungsinstrument. Ein Richtplan ist weder parzellenscharf noch grundeigentümerverbindlich. Insofern hat ein Richtplan keine direkten Auswirkungen auf ein spezifisches Grundstück.

Was sieht die Revision vor?

Revidiert wird nebst dem kantonalen Richtplan auch das PBG. Den Gemeinden sollen dadurch die entsprechenden Instrumente zur Verfügung gestellt werden, um die bisherigen Kleinsiedlungen in Bauzonen der neu geschaffenen Weilerzone zuordnen oder aber die Zuteilung zur kantonalen Landwirtschaftszone vornehmen zu können. Letzteres ist vorgesehen, sofern es sich bei der Kleinsiedlung um Gebäudegruppen handelt, welche die eingangs erwähnten bundesgerichtlichen Vorgaben an Weiler nicht erfüllen. Im Gegenzug können Kleinsiedlungen, die gegenwärtig in der Landwirtschaftszone liegen, aber die Anforderungen eines Weilers erfüllen, der Weilerzone zugeordnet werden.

Was ist die Folge einer Zuteilung zur Weiler- oder Landwirtschaftszone?

Die Zuordnung von einer Bauzone in die Weilerzone hat zur Folge, dass die entsprechenden Grundstücke neu in einer Nichtbauzone liegen. In Nichtbauzonen ist grundsätzlich nur der Erhalt der bestehenden Bausubstanz vorgesehen. Dies führt zu einer stark eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des Bodens und dadurch zu einem starken Rückgang des entsprechenden Landwertes. Bauten in der Weilerzone dürfen zwar ersetzt sowie weitergehend als in der Landwirtschaftszone umgebaut und massvoll erweitert werden. Neubauten sind aber nicht mehr zulässig. Zudem muss nach der Prüfung durch die Gemeinde auch der Kanton dem geplanten Bauvorhaben zustimmen. Bauvorhaben sind somit nur noch in einem sehr beschränkten Ausmass möglich. Noch einschneidender ist die Zuweisung zur Landwirtschaftszone. Die Richtplanrevision hat somit starke Auswirkungen für die betroffenen Gebiete und deren Nutzung.

Was können betroffene Grundeigentümer:innen tun?

Betroffene Grundeigentümer:innen haben im Stadium der Richtplan- sowie der PBG-Revision lediglich die Möglichkeit, an der elektronischen Vernehmlassung teilzunehmen und bis am 15. März 2024 eine Stellungnahme einzureichen. Rechtsmittel bestehen nicht. Weitergehende Mittel stehen den betroffenen Grundeigentümern erst zur Verfügung, wenn die Gemeinden in den fünf Jahren nach Anpassung des kantonalen Richtplans und der Anpassung des PBGs ihre Zonen für Kleinsiedlungen überprüfen und gegebenenfalls Umzonungen vornehmen. Gegen die entsprechenden Anpassungen der Bau- und Zonenordnungen steht nebst dem Mittel der politischen Partizipation auch der Rekurs an das Baurekursgericht des Kantons Zürich zur Verfügung. In einem solchen Rekurs kann der kantonale Richtplan vorfrageweise überprüft werden.

Finanzielle Entschädigung

Durch die Umzonung eines Grundstücks in die Nichtbauzone geht eine Nutzungsbeschränkung und damit verbunden eine erhebliche Wertverminderung einher. Damit stellt sich die Frage nach einer Entschädigungspflicht durch das Gemeinwesen, also mithin die Frage, ob eine entschädigungspflichtige materielle Enteignung vorliegt (Art. 26 Abs. 2 BV).

Für die Beantwortung dieser Frage ist es entscheidend, ob die Umzonung als Nichteinzonung qualifiziert wird, was grundsätzlich keine Entschädigung zur Folge hat, oder aber ob sie als Auszonung qualifiziert wird, die grundsätzlich entschädigungspflichtig ist (siehe zu diesem Thema auch unseren Blog «Umzonung von Bauland – Entschädigungspflicht?). Im Grundsatz ist von einer entschädigungspflichtigen Auszonung auszugehen, wenn ein Grundstück in einem bundesrechtskonformen Nutzungsplan der Bauzone zugeteilt war und nun durch die Zonenplanrevision neu der Weiler- oder Landwirtschaftszone (d.h. einer Nichtbauzone) zugewiesen wird. Eine grundsätzlich entschädigungslose Nichteinzonung liegt hingegen vor, wenn mit der Zonenänderung die erstmalige Schaffung einer Zonenordnung, die den bundesrechtlichen Anforderungen entspricht, verbunden ist.3

Zusammengefasst fragt sich, ob die frühere Bauzonenzuordnung, welche die Zonenzuteilung des betroffenen Grundstücks regelte, bereits im Zeitpunkt ihrer Festsetzung bundesrechtswidrig war, oder ob die Bundesrechtswidrigkeit erst später eingetreten ist.

Wie diese Einteilung konkret vorgenommen wird und in welchen Fällen eine Entschädigungspflicht besteht, wird sich in der Praxis zeigen. Die Meinungen gehen auseinander, wobei der Regierungsrat zurzeit (noch) die Haltung vertritt, dass es sich bei den benannten Umzonungen generell um entschädigungslose Nichteinzonungen handle. Ein vom Amt für Raumentwicklung eingeholtes juristisches Gutachten kommt dagegen zum Ergebnis, dass Grundstücke, die heute in einer rechtskräftigen Bau- und Zonenordnung einer Bauzone zugewiesen sind, vom Grundsatz her enteignungsrechtlich als Auszonung gelten müssten.4 Die Prüfung im konkreten Einzelfall bleibt natürlich vorbehalten.

Sollte Ihr Grundstück von den beschriebenen raumplanerischen Massnahmen betroffen sein, empfiehlt sich der frühzeitige Beizug einer spezialisierten Anwältin resp. eines spezialisierten Anwalts. Wir von Seidel & Partner Rechtsanwälte unterstützen Sie effizient und zielgerichtet.

1 Revision des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich (PBG) bezüglich «Kleinsiedlungen ausserhalb der Bauzone»

2 Vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 23.06.1993, publiziert in BGE 119 Ia 300, S. 302.

3 Vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 24.10.2005, publiziert in BGE 131 II 728, S. 731 f.

4 Dr. Peter Karlen: Kurzgutachten zur Entschädigungspflicht des Gemeinwesens bei der Einführung von Weilerzonen im Kanton Zürich, abrufbar unter: https://www.zh.ch/de/planen-bauen/raumplanung/nutzungsplanung/kleinsiedlungen.html

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